Der Abmahnwahn treibt immer buntere Blüten. AdvoGraf kann nicht auf alle Fälle eingehen,
aber manches ist so kurios oder schon realitätsfern, dass man wirklich nur noch sagen kann:
"auch das noch!": Das wirklich Allerletzte zum Thema Abmahnwahn.
Lotto macht Millionäre
von Heiko Schütz
Eine Abmahnungswelle, die bereits seit Anfang 2000 läuft, hat in
den letzten Tagen wieder zu einem Gerichtsurteil geführt und soll
deshalb auch an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben.
Der Deutsche Lotto-und Totoblock
geht seit einem Jahr gegen die Inhaber von Domains mit dem Namensbestandteil
"Lotto" vor und beruft sich darauf, dass dieser Name im Jahr 1997
als Wortmarke eingetragen wurde. Inzwischen wurden nach Angaben auf
domainmonitor.de rund 850 Abmahnungen bei einem Streitwert zwischen 500.000
und 750.000 DM ausgesprochen, was für die Abgemahnten bei Anerkenntnis
der Forderung Kosten von jeweils bis zu 3.700 DM verursacht. 165 Domains
sollen bereits
gelöscht worden sein.
Fraglich scheint hier wieder einmal die Praxis, sich einen Begriff aus
dem allgemeinen Sprachgebrauch als Markennamen eintragen zu lassen. Der Duden
von 1956 erklärt den Begriff Lotto als eine "Zahlenlotterie"
oder ein "Gesellschaftsspiel" und gibt als Wortzusammensetzung
auch den Begriff "Lottospiel" an. Die erste Ziehung der Lottozahlen
im Deutschen Lottoblock fand übrigens am 9. Oktober 1955 statt, und es
erscheint mehr als zweifelhaft, ob der Duden innerhalb weniger Monate ein Wort
aufgenommen hat, das durch eine neue öffentliche Lotterie eingeführt
wurde. Sogar auf einer Seite der Lotto-Show
heißt es: "Die Geschichte des Zahlenlottos läßt sich bis in
das 16. Jahrhundert zurückführen und hat in vielen Ländern eine
lange Tradition."
Da kann man natürlich schon vermuten, dass die Eintragung der Marke
aus Gründen der Behinderung von Wettbewerbern erfolgt ist, wenn sie auch
beim DPMA offiziell mit der Bekanntheit des Begriffs (der sog.
"Verkehrsdurchsetzung") begründet wurde.
Zumindest eine der beteiligten Parteien liefert jedenfalls für den
Spruch "Lotto macht Millionäre" eine ganz neue Interpretation:
selbst wenn nur jeder dritte Abgemahnte die geforderten Gebühren bezahlt
hat, ist ein siebenstelliger Betrag auf dem Konto der mit den Abmahnungen
beauftragten Kanzlei eingegangen. Eine sehr lukrative Einnahmequelle für
die Anwälte, aber kein Ruhmesblatt für das Glücksspiel der
kleinen Leute.
[HS 11.02.2001]
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