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Homeless' letzter Fall
Von P. L. Agiatus Folge 3 [online seit
21.02.2001]
"Finsteres Mittelalter, diese Drohungen", sagte Shylog Homeless,
während er heftig an seiner Pfeife zog. "Müßte dringend aus dem Verkehr
gezogen werden, dieser A. B. Greifer. Herr von Advorkate, ich muß Sie aber leider darauf
hinweisen", fuhr Homeless fort, "daß ich mich schon seit mehr als fünf Jahren
nicht mehr mit Kriminalfällen befasse. Ich sehe also nicht, wie ich Ihnen bzw. dem Grafen
helfen kann. Die Polizei in Deutschland hat einen ausgezeichneten Ruf, dazu gibt es Interpol,
Computer, Rasterfahndung usw. Wenn Sie es wünschen, so sucht Watton Ihnen sicher auch den
einen oder anderen guten Privatdetektiv aus unserer Kartei heraus. Ich habe meinem Verleger
zugesagt, daß er Ende des Jahres meine Memoiren erhält. Daher habe ich leider keine
Zeit für neue Abenteuer." Advorkarte sackte sichtbar zusammen. So hatte er sich das
Gespräch gewiß nicht vorgestellt. Dann straffte er sich. "Überlegen Sie
es sich, Mr. Homeless", sagte er, "wir könnten neben den üblichen Spesen auch
noch dafür sorgen, daß Ihr Buch schnellstens übersetzt wird und kurzfristig
auch in den deutschsprachigen Ländern erscheint." Dann setzte er noch hinzu:
"Wir finanzieren übrigens auch den Verlag Dröhnmann&Klampfe. Eine sehr
gute Adresse, nicht nur in Deutschland. Ich halte zudem den deutschen Markt für
äußerst aufnahmebereit, was Ihre geschätzten Erinnerungen angeht."
Homeless blickte erst zu Doc Watton, dann dem Bankier ins Gesicht. "Ich werde Kontakt
mit meinem Verlag aufnehmen", sagte er dann, "aber versprechen kann ich nichts."
Nachdem von Advorkate gegangen war, rief Homeless sofort im Verlag an. Nach
kurzer Zeit war man sich einig. Der Verlag wollte den Entführungsfall exklusiv vermarkten
und als Promotion für den verschobenen Start des Verkaufs der Erinnerungen groß
aufziehen. Bedingung: bis zum Herbst mußten die ersten Kapitel der Erinnerungen in jedem
Fall geliefert werden, über die Suche nach Explora durfte zudem kein Wort an die Presse
gelangen. Reisekosten und Spesen der Suche wollte der Verlag vorstrecken. Doc Watton sollte
sich ab und an melden, so daß Bilder der jeweiligen Orte von eigens verpflichteten
Fotografen möglich wären. "Jetzt sahnen wir ganz groß ab, Watton",
strahlte Homeless hinterher. Doc Watton, der zu Recht vermutete, daß er die Hauptlast
der Ermittlungen tragen würde, hatte sich zunächst heftig gesträubt, unter
anderem mit Hinweis auf sein Alter. Zum Schluß erlag er, wie meistens, dem Charme von
Homeless, den Gewinnausssichten und besonders der Ankündigung, er würde Gelegenheit
erhalten, in diversen Talkshows mitzuwirken, und ließ sich am Ende fast freiwillig
reaktivieren. Doc Watton rief Advorkate an und teilte ihm mit, daß man den Auftrag
annahm. Im Gegenzug sicherte der Bankier die gleichtägige Überweisung des ersten
Spesenvorschusses zu, womit man, ohne mit der Wimper zu zucken, diese ein zweites Mal
einstrich. Über Skrupel dieser Art war Watton seit langem erhaben.
Wattton und Homeless trafen ihre Vorbereitungen. Als erstes wollten sie
mit Graf von Groithenraff sprechen, dann die Wohnung von Explora inspizieren. Aus
Sicherheitsgründen, und um die neuerliche Tätigkeit der Detektive zu tarnen,
wollten Homeless und Doc Watton auf getrennten Wegen nach München reisen. Doc Watton
wollte zunächst über Stockholm und Kopenhagen fliegen, während Homeless
getarnt auf dem Seeweg nach Frankreich fahren sollte, um dann über die Schweiz
ebenfalls nach München zu reisen. Als Homeless mit angepapptem schwarz-grauen
Schnauzbart, altem Tuchmantel und Krückstock aus dem Haus trat, griff gegenüber,
im Hausflur neben dem Laden des Kolonialwarenhändlers Vinegar, eine zwielichtige
Gestalt zum Mobiltelefon.
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P. L. Agiatus.
Illustrationen: Uli Hesse
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